Jetzt wo die Tage wieder kürzer werden, gehen viele Radfahrer, die über den Sommer draußen  trainieren, ins Fitnessstudio, um sich über den Winter fit zu halten. Dort besuchen sie oft Cyclingkurse, weil dort das gemacht wird, was sie sonst draußen tun: Radfahren. Ziel ist es, die Form über den Winter beizubehalten und im Frühjahr topfit in die neue Saison zu starten.  

Soweit die Theorie.

Die typische Indoorcycling Stunde

In der Praxis sieht ein solches Training nämlich so aus, dass ca. 1 Stunde bzw. max 2 Stunden auf dem Indoorcycling-Bike verbracht werden.

Betrachtet man eine einstündige Cyclingstunde, besteht diese aus ca. 5-10 Minuten Warmup und weiteren 10 Minuten Cooldown und Stretching. Das eigentliche Training beträgt in diesem Fall also lediglich 40-45 Minuten. Bei manch einem Trainer mag dies auch anders sein, aber ich spreche hier von einem Training, das man gesundheitlich im Gruppenfitnessbereich auch vertreten kann. Und das ist eben nicht ein kurzes Warmup, 55 Minuten Vollgas und dann noch ein paar Minuten Ausfahren.

Indoorcycling ist Radfahren – kein Ganzkörperworkout

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Phänomen hinweisen, über das sich meine Partnerin immer wieder ärgert. Manche Indoor Cycling Trainer (Spinning ist ein geschützter Begriff)  bauen in ihr Training seltsame Übungen ein, wie zum Beispiel Liegestütze oder Hantelübungen auf dem Bike. Wer eine Spinningausbilung hat (das Original, Marke!) oder zum Beispiel bei Schwinn seine Ausbildung absolviert hat, der beschränkt sich beim Indoorcycling auf das Radfahren. So wie draußen auch. Die Zeit ist kurz genug, der Oberkörper kann später bzw. in einer anderen Einheit wesentlich sinnvoller und effektiver trainiert werden.

Keine Leistungssteigerung trotz Training

Aber nun zum eigentlichen Thema: Dem Trainingseffekt. Immer wieder bekomme ich Leistungsdiagnostiken von Cyclingtrainern in die Hand. Wenn diese mich um Rat fragen, ist es meist das gleiche Problem, das diese Personen haben: Trotz teilweise 3-5 Spinningstunden pro Woche ist kein Fortschritt zu beobachten. Sie werden nicht besser. Genauer ausgedrückt bringen sie trotz all des Trainings nicht mehr Leistung (Watt) auf die Straße.

Die 2 mmol-Schwelle

Hierzu ist es wichtig, die 2 mmol und 4 mmol Schwelle zu betrachten.

Liegt der Laktatspiegel unter 2 mmol / Liter Blut, wird die benötigte Energie rein aerob bereitgestellt.

Die aerobe Schwelle, bei der der Laktatspiegel bei ca. 2 mmol Laktat/Liter Blut liegt, ist der Bereich, ab dem die benötigte Energie nur durch zusätzlich bereitgestellte Energie aus dem anaerob-laktaziden Stoffwechsel gedeckt werden kann.

Die anaerobe Schwelle wird bei ca. 4 mmol Laktat / Liter Blut erreicht. Ab diesem Wert reicht die Sauerstoffaufnahme nicht mehr aus, den Gesamtenergiebedarf zu decken, was zu einer schnellen Erschöpfung und Übersäuerung führt.

Der Trainingsbereich, in dem ich meine Athleten ca. 50% des Trainings trainieren lasse, ist der Bereich zwischen 2mmol und 4mmol.

Und genau dieser Bereich ist das Problem, wenn ich mir die Leistungsdiagnostiken von vielen Indoorcyclingtrainern anschaue: Dieser Bereich ist durch das ständige intensive Indoorcyclintraining (in die 45 Minuten Training muss ja viel reingepackt werden) kaum ausgebildet. Ich habe schon Leistungsdiagnostiken gesehen, wo der Bereich zwischen 2 und 4 mmol so gut wie nicht vorhanden ist. Demnach wird er natürlich auch nicht oder nur sporadisch trainiert. Was zur Folge hat, dass der Bereich nicht ausgebaut wird und die Wattleistung nicht ansteigt.

Ein Beispiel

Hier die Leistungsdiagnostik eines Athleten:

Regeneratives Training, KB,  unter 105 Watt,  HF unter 128/min

Extensive Grundlagen, GA1, 105 Watt-153 Watt, HF 128-145

Intensive Grundlagen, GA2, 153-156 Watt, HF 146-149

Schwellentraining, EB, 157-170 Watt, HF 150-158

Dieser Athlet hatte einen sehr schwach ausgeprägten Bereich zwischen 2 und 4 mmol. Sein Training bestand zum Zeitpunkt des Tests aus 3 Stunden Indoorcycling und 2 Stunden Laufen pro Woche.

Fokus auf Grundlagentraining

Ich habe den Fokus auf das extensive und intensive Grundlagentraining gesetzt, bestehend aus je 50% intensiven und extensiven Grundlagen. Trainiert wurden 5 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten.

Die wöchentlichen Trainingsstunden wurden nach 2 Monaten auf 8-10 Stunden pro Woche erhöht. Das intensive Grundlagenintervalltraining hat dieser Athlet sowohl am Berg wie auch auf der Ebene absolviert. Die Trittfrequenz am Berg war zwischen 75 und 90 und auf der Ebene zwischen 90 und 100.

Nach 3 Monaten erfolgte ein erneuter Leistungstest und brachte folgende Ergebnisse:

Regeneratives Training, KB, unter 113 Watt, HF unter 124/min

Extensive Grundlagen, GA1, 114 Watt-165 Watt, HF 124-138

Intensive Grundlagen, GA2, 166-184 Watt, HF 139-155

Schwellentraining, EB, 185-206 Watt, HF 156-169

Gleichzeitig verlor der Athlet durch das Training 3kg Körpergewicht, was eine höhere Leistung Watt/kg Körpergewicht bedeutet.

Fazit:

Ich finde Indoorcycling gerade über die Wintermonate als eine sinnvolle Alternative zum draußen Fahren. Aber achtet bitte unbedingt darauf, nicht zu überpacen. Denn nicht immer hilft viel auch viel. Nutze deine Indoorcyclingstunde für intensives Training. Aber versuche, die Grundlagen ebenfalls nicht aus den Augen zu verlieren. Baue immer wieder längere Einheiten ein, in denen du Extensives Grundlagentraining miteinander kombinierst. Optimal dafür ist das Wochenende, wo du Zeit für längere Einheiten hast. Wenn du das beachtest, kannst du Spaß in der Cyclingstunde haben und gleichzeitig im Frühjahr die gewünschten Wattzahlen wieder auf die Straße bringen.